Ein neues Wahlverfahren muss her!

Es nähert sich die nächste Bundestagswahl, und ich werde wieder nachdenklich und kreativ.

Was für ein Unsinn, das politische Schicksal unseres Landes der kommenden vier Jahre einer eher zufälligen Momentaufnahme zu überlassen. Hier ein Hochwasser, da ein verbaler Dünnschiss eines fremdländischen Oberhaupts, schon fällt die Wahl anders aus. Das Wetter am Wahlsonntag, das Fernsehprogramm, ein Fussballergebnis, der Streit über das Frühstücksei, die heutige Schlagzeile, die nervige Ampel, meine zwickende Schulter – das alles beeinflusst das Wahlergebnis in einem unzulässigen Maß. Deswegen mein Vorschlag:

Jeder berechtigte Bürger kann jederzeit (z.B. beim Standesamt oder Einwohnermeldeamt oder besser noch in einem neu zu erschaffenden Amt) seine Stimme abgeben. Diese Stimme gilt so lang für die von ihm angegebene Partei, bis er sie ändert, was zwar jederzeit möglich ist, aber doch eine gewisse Hürde beinhaltet (weil er zum Amt muss oder weil er 5 Euro berappen muss oder…), so dass der wahlberechtigte Bürger seine Stimme nur dann ändern wird, wenn er wirklich meint, dass eine andere Partei ihm besser gefällt. Es bestünde weiterhin keine Wahlpflicht, er kann also statt einer Partei eben auch „keine“ angeben, aber trotzdem würde die Wahlbeteiligung vermutlich um einiges höher sein als derzeit der Fall.

Der Hauptvorteil ist aber die Stabilität des Systems. Die Wahl wäre kein momentanes Stimmungsbild mehr, kurzfristige Wahlversprechen würden nicht mehr verfangen.  Stattdessen müssten sich die Parteien durchgängig um die Bürger bemühen, welche ihrer gewählten Vertreter jederzeit das Vertrauen entziehen könnten.

Bleibt die Frage, ob es überhaupt noch einen Wahltermin benötigt, an welchen der dann aktuelle Stand der Stimmen abgegriffen und ausgewertet würde, oder ob man nicht ganz auf festgelegte Legislaturperioden verzichten könnte. Stattdessen könnte man doch wöchentlich auswerten und gegebenenfalls die Mandate anpassen. Verlore eine Regierungskoalition ihre Mehrheit im Parlament, so würde das Parlament halt eine neue Regierung wählen. Ich hätte auch nicht die Befürchtung, dass dieses Verfahren zu chaotischen Zuständen führen würde, solange eine ausreichende Trägheit im System vorhanden wäre. Diese wäre zum Beispiel durch die oben erwähnten Hürden, seine Stimme zu ändern, gewährleistet. Oder eine veränderte Stimmverteilung muss wenigstens drei oder sechs Monate bestand haben, bevor sie wirksam wird. Oder…

Und ja, die Feinheiten müssten noch ausgearbeitet werden 😉 Wie wird das Wahlgeheimnis gewahrt, wie bleibt trotz Hürde der Zugang zur Stimmänderung für alle Bürger gleich gut möglich, usw.

Und trotzdem finde ich das System moderner, direkter, demokratischer und überhaupt total cool. Und wenn zusätzlich der lästige Wahlkampf wegfiele und die Parteien stattdessen laufend bewertet würden, um so besser.

Über Pfeffermatz

... ist ein schokonalytischer Glühwurstematiker.
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12 Antworten zu Ein neues Wahlverfahren muss her!

  1. Tanja im Norden schreibt:

    Ich war heute Morgen gerade wählen und in den letzten Tagen war ja in der Presse häufiger zu lesen, die Briefwahl sei so undemokratisch, weil nicht alle gleichzeitig wählen, und weil ja bis zur Wahl noch etwas weltbewegendes passieren könne. Ich kann dieses Argument gar nicht nachvollziehen, weil ich meine Stimme doch nicht aus Laune heute so und morgen anders abgebe. In diesem Sinne stimme ich Dir voll zu, dass ein integrierendes Wahlergebnis gegenüber dem Schnappschuss Charme hat.

    Was ich skeptisch sehe, ist der Gedanke, dass meine Stimme so bleibt, wie abgegeben, bis ich sie ändere. Da sehe ich die Gefahr, das viele veraltete Stimmen im Integral verbleiben, weil die Schwelle zum Ändern egal wie niedrig immer noch zu hoch ist. Oder dass im anderen Extremfall das ganze zu sprunghaft wird, wie der permanent Blick der Wirtschaft auf die Quartalszahlen. Manches in der Exekutive und Legislative braucht auch mal Zeit längerfristig zu wirken. Vielleicht wäre eine regelmäßige Teilwahl der Parlamentssitze eine Option, so dass in etwas kürzeren Abständen eine Feinjustage erfolgen kann.

    Bei der konzertierten Wahl mache ich mir außerdem mehr Gedanken darüber, ob ich wirklich möchte, dass die derzeitige Regiereung so weitermacht oder nicht, und was ich stattdessen befürworte oder für das kleinste Übel halte. Allerdings gefällt es mir dabei sehr gut, dass ich mittlerweile über einen mehrwöchigen Zeitraum dann wählen gehen kann, wenn ich zu einem Entschluss gekommen bin. Ab jetzt kann ich den Wahlkampfzirkus gelassen irgnorieren oder amüsiert verfolgen.

    • Pfeffermatz schreibt:

      Man könnte den Stimmen ja noch ein Verfallsdatum geben, 8 Jahre oder so. Und Briefwahl ist zwar problematisch aber nicht undemokratisch; im Gegenteil, da sich hierdurch die Wahlbeteiligung erhöht.
      Eine regelmäßige Teilwahl fände ich auch gut. Besteht nur die Gefahr, dass sich die Wahlmüdigkeit erhöht. Wobei ich persönlich nicht verstehe, was daran ermüdend sein soll, alle paar Jahre zur Turnhalle um die Ecke zu gehen und ein Kreuz zu machen, aber gut, so sind die Leute nun mal.
      Ich wäre dann sogar für jährliche Wahlen in jeden Wahlkreis, immer das gleiche Datum, und es werden jeweils die Stimmen der letzten vier Jahre betrachtet. Interessanter Nebeneffekt: ein Jahr mit geringer Wahlbeteiligung zählt automatisch weniger als ein Jahr nit hoher Beteiligung.

      • Tanja im Norden schreibt:

        Der letzte Gedanke ist sehr interessant. Dann wäre das Ergebnis nicht mehr so abhängig davon, ob vieleicht gerade Schulferien waren oder die Leute wegen zu gutem oder zu schlechtem Wetter oder wegen Vollmond keinen Bock hatten.

  2. Muriel schreibt:

    Hm.
    Ich bin ja jetzt eh nicht so der Demokrat, aber klingt zumindest nett, als Idee.

  3. Anhora schreibt:

    Ich musste grad schmunzeln! Eine kreative Idee, und auf den ersten Blick wirkt sie schlüssig. Aber meinst du nicht, dass dann bei jedem Hochwasser, verbalem Dünnschiss eines fremdländischen Oberhaupts oder einer Grippeepidemie ein Regierungswechsel die Folge sein könnte? Jedenfalls, wenn wir alle unser Stimmrecht ernst nähmen.
    Ich befürchte aber eher, dass es so ginge wie mit dem Organspendeausweis: Jeder will es, keiner tut es. Deshalb ist das Verfallsdatum eine gute Idee. Ich schlage vor: 4 Jahre. 🙂

    • Pfeffermatz schreibt:

      Ich glaube eher nicht, dass es dauernd zu Regierungswechseln kommt, wenn man mit dem Perso zum Amt muss. Und wenn dann noch eine zeitliche Verzögerungskomponente eingebaut wird, ist das System eh ausreichend träge.

      • Lakritze schreibt:

        Dann müßte man noch sowas wie Wahltage einführen (Samstag? Sonntagabend?), damit alle die Chance haben, wählen zu gehen, ohne sich freinehmen zu müssen. (Bzw. keiner zum Wählen blaumacht.) Verfall nach vier Jahren, ja. Und vielleicht: wer öfter als 15mal die Partei wechselt im Jahr, kriegt einen Job als Wahlhelfer angeboten … Oh, und wie verhindert man, daß jemand seine Stimme verkauft? Das würde sich glatt lohnen, wenn man so viele hat.
        (Ehrlich. Ich wollte dieses Jahr gar nicht übers Wählen nachdenken; Augen zu und durch und nix weiter …)

      • Pfeffermatz schreibt:

        Wenn man persönlich auf dem Amt erscheinen muss, kann man seine Stimme genauso gut oder schlecht verkaufen wie beim heutigen System, wo man persönlich zum Wahllokal muss.

      • Pfeffermatz schreibt:

        Ach ja, und Wahlhelfer braucht man ja nicht mehr… So, jetzt aber genug übers Wählen nachgedacht!

      • Anhora schreibt:

        Na gut, das will ich mal gelten lassen. 😉

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