Ein Mangel an Mathematikern im Reich von Xidit

Ich habe zu Weihnachten das wunderschöne Brettspiel Lords of Xidit von meinen Schwiegereltern erhalten. Nachdem ich mich stundenlang durch die Bedienungsanleitung gequält habe (auf Französisch!), konnten wir gestern Abend zum ersten Mal spielen, und zwar gleich zu fünft. Letztendlich war die Spiellogik doch recht einfach und einleuchtend, das Spielen lief erstaunlich flüssig, war bis zum Schluss spannend, und wurde trotz der langen Spielzeit nicht langweilig. Aus dem Internet habe ich dann tatsächlich erfahren, dass dieses Spiel die Weiterentwicklung eines schon bestehenden Brettspiels (Himalaya) ist, was den äußerst ausgereiften Spielfluss erklärt.

Hinzu kommt, dass das Spiel liebevoll und aufwändig gestaltet ist. Dies betrifft das eigentliche Spielbrett, die Unmengen an Figuren und Teilchen und Kärtchen und Plättchen und was weiß ich, bis hin zu Anleitung. Die Anleitung ist ausführlich, bebildert, beinhaltet Beispiele, und ist mit allen möglichen Zitaten und Auszügen aus Schriften des Fantasiereichs Xidit durchsetzt. Leider setzt meine vorsichtige Kritik (dies ist schließlich kein Brettspiel-Blog sondern eine Ein-Mathematiker-analysiert-die-Welt-Seite!) bei eben dieser Anleitung an.

Man muss schon ein sehr erfahrener Spieler oder eben ein Analytiker sein, um aus dieser ausführlichen Spielanleitung den eigentlichen Sinn des Spiels zu extrahieren! Eigentlich handelt es sich hier trotz der kämpferischen Aufmachung um ein Wirtschaftsspiel, um ein sogenanntes Sammeln-und-Eintauschen- bzw. Abholen-und-Ausliefern-Spiel. Man sammelt Ressourcen (verschiedenartige Krieger) und tauscht diese ein (besiegt Monster) und erhält dafür verschiedenartige Belohnungen, anhand derer zum Schluss der Gewinner ermittelt wird. Es wäre schön, wenn das in der Anleitung auch so stehen würde!

Es ist ein wenig wie bei einem Fahrschüler, dem man die technische Anleitung zu einem Auto gibt, und der erst beim Ausprobieren der unzähligen ausführlich beschriebenen Bedienelemente erkennt, dass das Lenkrad vor dem Fahrer und die Pedale zu seinen Füßen die mit Abstand wichtigsten sind. Und dass man damit gut von A nach B kommen kann.

Das war also die erste Stelle im Spiel, an der ich erkannte, dass wohl kein Mathematiker involviert wurde: in der Anleitung wurde vor lauter Baumbeschreibungen vergessen, den Wald zu erklären. Die zweite Stelle betrifft die Unterteilung des Spiels in sechs Phasen laut Anleitung: Ein Spiel geht über 12 Runden, dabei finden die Phasen 1, 2, 3 und 5 jede Runde statt, wobei Phase 2 und 3 bei näherem Hinsehen nicht aufeinanderfolgend sind, sondern Phase 3 einfach ein Element von Phase 2 darstellt. Phase 4 findet nur alle vier Runden statt und Phase 6 ist die Auswertung zum Schluss des Spiels. Diese Unterteilung in Phasen soll sicherlich der Übersichtlichkeit dienen, verwirrt aber nur. Der mathematische Anleitungsberater hätte wohl einen anderen Erklärungsansatz gewählt.

Die dritte Stelle in der Anleitung, die ich anders beschrieben hätte, handelt vom Umgang mit den diversen Stapeln, die im Spiel zum Einsatz kommen. Dies ist unnötig kompliziert dargestellt. Hier werden über viele Seiten Lege- und Nachlegemechanismen erklärt, die sich eigentlich ganz logisch aus dem Spielfluss ergeben. Insbesondere der Übergang von normalen Monstern zu den Karten mit den Super-Monstern (die heißen im Spiel natürlich anders) ist unverständlich. Dabei lautet die Quintessenz: wenn keine normale Monster mehr da sind, muss man halt zu den Super-Monstern greifen. Warum kann man das nicht so schreiben?

Eine letzte Stelle betrifft tatsächlich das Spiel selbst. Ich bin der festen Meinung, dass zwei der vielen Stapeln redundant sind. Oder bestenfalls so-gut-wie-unnötig, falls ich was in der Spiellogik übersehen haben sollte. Bei einem Brettspiel mit gefühlt tausend Teilen sollte man auf unnötig verkomplizierendes doch eher verzichten.

Das war’s aber auch mit der Kritik durch die Mathematikerbrille… Denn das Spiel Lords Of Xidit ist aus spielerischer und gestalterischer Hinsicht absolut empfehlenswert!

 

Über Pfeffermatz

... ist ein schokonalytischer Glühwurstematiker.
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Eine Antwort zu Ein Mangel an Mathematikern im Reich von Xidit

  1. gnaddrig schreibt:

    Gute Bedienungsanleitungen sind nicht so einfach zu schreiben, egal ob es um Gesellschaftsspiele, Mikrowellenherde oder eine Lohnbuchhaltungssoftware geht. Nicht umsonst gibt es Technische Redaktion und Informationsdesign mittlerweile als Studiengänge an einer Reihe von Unis.

    Dein Beispiel zeigt sehr schön, wie ungeschickt arrangierte und gewichtete Information die Benutzbarkeit des dokumentierten Spiels mindern oder wenigstens hinter eine unnötig hohe Schwelle legen kann. Da hätte man einen Profi dransetzen sollen.

    Spätestens beim Übersetzen machen sich solche Inkonsistenzen und Lücken nämlich bemerkbar, und dann müssen Leute wie ich entweder Blindflug machen oder sich bei den Autoren durch Nachfragen und Macken-Anmerken unbeliebt machen…

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